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Welle von Fusionen und Kooperationen erwartet Wiesbaden, 13. Februar 2009
(aiz.info)
Die deutsche Milchindustrie wird in den nächsten drei Jahren einen massiven Konsolidierungsprozess durchlaufen. Diese "Sturmwarnung" hat Martin Tschochner von der Unternehmensberatung RölfsPartner gestern auf dem Deutschen Molkereikongress 2009 in Wiesbaden ausgegeben. Auch der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Karl-Heinz Engel, und der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Manfred Nüssel, erwarten eine Welle von Fusionen und Kooperationen.
Mehr Verlierer als Gewinner
Tschochner hat die Strukturen der deutschen Milchwirtschaft analysiert. Er ist überzeugt, dass zwei Drittel der Unternehmen ohne strategische und operative Anpassungsmaßnahmen existenziell gefährdet sind. Die Branche drohe international den Anschluss zu verlieren, warnte der Berater. Für viele Molkereien reiche die Zeit nicht einmal mehr, um aus eigener Kraft die Wende zu schaffen. Dann blieben nur Allianzen, Kooperationen oder die Anbindung an einen größeren Partner.
Für Tschochner sind nur drei Unternehmenstypen zukunftsfähig:
- Diversifizierte Molkereikonzerne
- effiziente Produktspezialisten und
- Regionalversorger als Ergänzungslieferanten des Einzelhandels.
"Es wird mehr Verlierer als Gewinner geben", sagte Tschochner voraus.
Zeit zum Handeln
Auch aus Sicht des MIV-Vorsitzenden Engel "ist jetzt die Zeit zu handeln, die Kräfte zu bündeln und gemeinsame Strategien zu entwickeln". Jedes Unternehmen müsse sich darüber klar werden, ob es auf Größe, Wertschöpfung, Nischen oder den stufenartigen Ausstieg setze. Ein Manko der deutschen Genossenschaftsmolkereien sieht Engel in ihrer vergleichsweise geringen Eigenkapitalausstattung. Während beispielsweise die von ihm geführte Hochwald über ein Eigenkapital von 6 Cent und die Nordmilch gar nur über 2 Cent je kg verarbeitete Milch verfügt, sind es bei den niederländischen Unternehmen Campina und Friesland, die jetzt fusionieren, 13 Cent beziehungsweise 17 Cent.
Eigenkapital bilden
DRV-Präsident Nüssel betonte, die Genossenschaften dürften nicht alle Erträge auszahlen. Sie müssten auch Eigenkapital und Rücklagen bilden, um auf die zunehmenden Marktschwankungen vorbereitet zu sein. Auch beim "Humankapital" bestehe erheblicher Investitionsbedarf. Wachstumschancen lägen in erster Linie in Drittstaaten. Dort seien die deutschen Molkereien aber nicht ausreichend vertreten. Nüssel sieht auch unter den Milcherzeugern die Notwendigkeit zum weiteren Strukturwandel. "Wir brauchen mehr Landwirte, die zu Marktpreisen mit Gewinn wirtschaften", erklärte der Raiffeisenpräsident. Darum sollte im Westen Deutschlands über Mehrfamilienbetriebe nachgedacht werden. Die von der Europäischen Union beschlossenen Begleitmaßnahmen zum Ausstieg aus der Milchquotenregelung bezeichnete er als "süße Droge". Als Einkommensausgleich sei die verfügbare Summe bei Weitem nicht ausreichend. Darum dürfe das Geld nicht mit der Gießkanne verteilt, sondern müsse gezielt zur Investitionsförderung eingesetzt werden.
Unterkapitalisiert
Sebastian Wolff von der Rabobank bestätigte die Analyse, dass die deutschen Molkereien im internationalen Vergleich unterkapitalisiert seien. Er mahnte: "Eine Genossenschaft muss auch Geld verdienen dürfen, um sich auf die Zukunft einzustellen." Zugleich nannte Wolff das aktuelle Erzeugerpreisniveau "nicht nachhaltig". Allerdings erwartet der Banker schon bald wieder eine globale Milchknappheit. "Das Rohstoffangebot wird für die Molkereien nicht auf Dauer so komfortabel bleiben. Schon 2010 kann sich die Lage ändern, wenn die Nachfrage wieder anzieht", prognostizierte Wolff.
EU verliert an Bedeutung
Die Milchmarktexpertin der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP), Monika Wohlfahrt, stellte fest, die europäische Milchindustrie verliere auf dem Weltmarkt an Bedeutung. Das Wachstum der vergangenen Jahre sei an der EU vorbeigegangen. Deren Anteil an den weltweiten Exporten sei von 12% im Jahr 2000 auf nur noch 10% im vorigen Jahr gesunken, konstatierte Wohlfahrt. Im Wirtschaftsjahr 2007/08 wurde die EU-Milchquote um 2,2 Mio. t unterliefert. Der Expertin zufolge wird auch die seit April 2008 um 3,3 Mio. t erhöhte Garantiemenge bei Weitem nicht ausgeschöpft werden. Überlieferungen der nationalen Quoten würden künftig die Ausnahme bilden. (Schluss) leh