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23.07.2014
Pressemitteilung: Studie zu Schweizer Milchmarkt zeigt: Ausstieg aus Milchkontingentierung führte zu einschneidenden Entwicklungen

(Brüssel, 23.07.2014) „Auch fünf Jahre nach dem Ausstieg aus der Kontingentierung fehlen den Produzenten langfristig stabile Marktbedingungen.“ So lautet ein Ergebnis der heute in Brüssel vorgestellten Studie zu den Folgen des Schweizer Ausstiegs aus der Milchkontingentierung im Jahre 2009. Die Verfasserin Dr. Therese Haller von der Berner Fachhochschule und Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften und Agronomie legt mit dieser Arbeit wichtige Ergebnisse für den Schweizer Milchmarkt auf den Tisch. Zusätzlich liefert die Studie jedoch auch Erkenntnisse für die zukünftige Entwicklung des EU-Milchmarktes, der selbst kurz vor einem ähnlichen Ausstieg steht.

Druck auf Erzeugerpreise nach endgültigem Ausstieg 2009 verschärft

Wie die Studie zunächst für die Schweiz zeigt, haben die ausstiegsbedingten Mengenausdehnungen dazu geführt, dass im Vergleich zum mittleren Erzeuger-Milchpreis der Jahre 2000/02 die Schweizer Industriemilch bis 2010/12 ca. 24 Prozent ihres Werts verloren hat. Bei der Käsereimilch waren es 15 und bei der Biomilch 19 Prozent Werteverlust. Wirksame privatrechtliche Maßnahmen zur Stabilisierung der Erzeugerpreise konnten aufgrund einer großen Uneinigkeit unter den Marktakteuren jedoch bis dato nicht umgesetzt werden.

„Dem Entscheid zum Ausstieg lagen  Studien und Erwartungen zugrunde, welche sich als absolut falsch erwiesen“, kritisiert Werner Locher von der Schweizer Milcherzeugerorganisation BIG-M. „Durch die anhaltend schlechten Preise sind viele Bauern aus der Milchproduktion ausgestiegen - auch solche, welche eigentlich über gute Betriebsstrukturen verfügen würden.“ Daher sei der Milchkuhbestand rückläufig und dieser Rückgang gefährde insbesondere die flächendeckende Bewirtschaftung der Alpen. „Damit sägt man an einer der wichtigsten Säulen des Schweizer Tourismus. Wenn die Produzenten keine kostendeckenden Preise bekommen, hat dies Auswirkungen, welche weit über die Landwirtschaft hinausreichen“, so Locher.

Höhere Marktkonzentration der Verarbeiter und ungünstige Verteilung des Mengenwachstums

Wie die Studie zeigt, hat sich die Marktkonzentration der Verarbeiter gegenüber den Produzenten in der Schweiz nach dem Ausstieg verstärkt, was deren Marktposition zusätzlich verschlechtert hat. Zwischen 2003 und 2012 haben die vier größten Milchverwerter ihre Verarbeitungsmenge um 38 Prozent gesteigert und den Anteil am Schweizer Milchmarkt von 44 Prozent auf 56 Prozent erhöht.

Ungünstig für den gesamten Schweizer Milchmarkt ist laut der Untersuchung auch die Verteilung des Mengenwachstums nach dem Ausstieg. Es konzentriert sich im Bereich der Billigsegmente Butter und Milchpulver, wo es oftmals nur mit Verlust exportiert werden kann.

Bezüglich weiterer Entwicklungen auf dem Schweizer Milchmarkt gibt die Studie unter anderem zudem an, dass die Schere zwischen Berg- und Talregionen nach dem Ausstieg größer geworden ist.

Parallelen der Schweiz zum EU-Ausstieg

Romuald Schaber, Vorsitzender des European Milk Board (EMB), sieht in der Schweizer Situation definitiv Parallelen zum geplanten Ausstieg der EU. „Auch wenn die Entwicklungen nicht alle 1:1  übertragbar sind, ist es dennoch ein Fakt, dass auch der EU sehr schwierige Zeiten bevorstehen.“ Der Markt, insbesondere die Produzenten, würden sich selbst überlassen. „Ohne wirksam greifende Instrumente – ohne kostendeckende Preise – werden sehr viele Bauern auch in der EU sehr schnell aufgeben müssen. Am Ende werden ganze Regionen die Milchproduktion einfach verlieren“, beschreibt Schaber die zu erwartenden Folgen.

Hinsichtlich des baldigen Ausstiegs der EU aus der Milchkontingentierung kommt auch die Studie aus Bern zu einigen Schlüssen:

  • Wenn die Milchproduktion aus ganzen Regionen der EU verschwindet, geht damit das lokale Kulturgut um die Milchproduktion verloren. Es kann außerdem zu Abwanderung sowie Verwaldung kommen. Angesichts der Welternährungslage ist dies langfristig sehr problematisch.
  • In der EU kann man auch mit Verwerfungen auf der Verarbeiterseite rechnen, wenn langfristig nicht soviel hergestellt bzw. abgesetzt werden kann, wie zuvor erwartet. Damit verbundene Werkschließungen würden regional tiefgreifende Konsequenzen mit sich bringen.
  • Die Machtverhältnisse im Milchsektor stehen zuungunsten der Produzenten (und der Konsumenten). Die asymmetrische Machtverteilung stellt in der EU ein Marktversagen dar.
  • In der EU dürften Standards der Qualität- und Lebensmittelsicherheit sowie sozialverträgliche Arbeitsbedingungen und Tierhaltungsbedingungen nicht aus den Augen verloren werden.
  • Gesamtwirtschaftlich müsste man beachten, dass höhere Kosten dann gerechtfertigt sind, wenn dadurch beispielsweise den Interessen der Nachwelt Sorge getragen wird.

Romuald Schaber vom EMB möchte die Erkenntnisse aus der Studie zum Schweizer Milchmarkt genutzt wissen, um in der EU einen Absturz des Milchmarktes zu verhindern. „Die Politik wäre gut beraten, die Studie konzentriert zu lesen und aus den Schweizer Verhältnissen zu lernen, um dann zumindest wirksame Instrumente für Krisensituationen einzusetzen.“ Denn es sei problematisch für alle Akteure – vom Produzenten über den Verwerter bis hin zum Konsumenten und zur Politik – wenn ein Ausstieg die Erzeuger praktisch vom Markt spüle. Wie man in der Schweiz sehen konnte, ist beispielsweise auch für die Verbraucher der versprochene Mehrwert nach dem Ausstieg nicht erreicht worden. Es müssten daher die liberalen Scheuklappen von den Augen genommen und gemeinsam stabilisierende Instrument installiert werden.

Die komplette Studie sowie eine Zusammenfassung finden Sie unter folgendem link: www.europeanmilkboard.org/de/emb/studien.html

 

Kontakte:

Vorsitzender EMB - Romuald Schaber (DE): +49 (0) 160 352 4703

Geschäftsführer BIG-M - Werner Locher (DE) +41(0) 792 368 411

EMB Pressestelle - Regina Reiterer (DE, EN, FR) +32 (0)2 808 1935